UNTERWEGS IN NAIROBI
INSIDERTIPPS VON LEONHARD FRANZ
Nairobi – eine typische afrikanische Metropole mit etwa 3,5 Millionen Einwohnern. Der Name weckt keine romantischen Urlaubsassoziationen, und viele Reisende werden versucht sein, Nairobi schnellstmöglich zu verlassen, um hinaus zu kommen in all die reizvollen Wildschutzgebiete in der näheren und weiteren Umgebung der Stadt. Fraglos treffen Vorstellungen von chaotischem Verkehr, Lärm und Staub auf viele Teile der Stadt zu, und auch Slums wie Kibera sind traurige Realität afrikanischen Alltags in den Großstädten.
Wer aber der Stadt eine Chance gibt, ihre schönen und spannenden Seiten zu entdecken, wird sich wundern, und wird für seine Neugier belohnt. Welche Stadt kann schon von sich behaupten, einen stattlichen Nationalpark mit afrikanischem Großwild ihr Eigen zu nennen. Einige der kleinen Ausflugsperlen Nairobis durfte ich vor wenigen Monaten entdecken.
Das vielleicht bekannteste Exkursionsziel in Nairobi ist das so genannte Elefantenwaisenhaus des „The David Sheldrick Wildlife Trust“ am Rande des Nairobi Nationalparks.
Benannt nach dem landesweit bekannten Wildhüter und Naturschützer David Sheldrick und unter sachkundiger Leitung seiner Gründerin, der Witwe Daphne Sheldrick, kümmert sich diese Stiftung seit 1977 um Pflege und Aufzucht verwaister Elefanten- und Nashornkinder, die von den Rangern in den Schutzgebieten, insbesondere im Tsavo Nationalpark, immer wieder in Notsituationen aufgefunden werden. 150 Rettungs-, Aufzuchts- und Wiederauswilderungserfolge einzelner Tiere kann die Stiftung bis heute verbuchen.
Die Station ist an den Nairobi Nationalpark angegliedert und für Besucher täglich für einen Fütterungs-Termin um 11.00 Uhr geöffnet. Selbst wenn es einige Dutzend Touristen und Gäste gibt, so herrscht doch eine familiäre Atmosphäre am Infostand, an dem man die Tickets kauft, und an dem kleinen, nur mit einer Schnur abgetrennten Areal, das man nach wenigen Schritten erreicht.
Hier lassen sich die kleinen Elefanten dann bei der Fütterung erleben. Es ist schon wunderbar mitanzusehen, wie die kleinen Dickhäuter aus dem Dickicht im Gänsemarsch herbeieilen und sich um die Pfleger in den grünen Kitteln mit den großen Milchflaschen drängen. Es dauert mindestens eine halbe Stunde bis alle Elefantenkinder versorgt sind und währenddessen gibt es viele Gelegenheiten für die Besucher, schöne Fotos zu machen und mit ein wenig Glück und viel Vorsicht auch einmal die raue Haut der Tiere zu streicheln.
Die Pfleger achten auf Disziplin bei Elefanten und Besuchern und weisen zu forsche Tiere und übereifrige Kameraakrobaten sanft, aber bestimmt in die Schranken. Auch Schulklassen kommen, um den Live-Unterricht in Sachen Naturschutz zu nutzen, denn während der Fütterung erklärt der Chef-Pfleger per Mikrofon Wissenswertes über die Biologie der Elefanten, über die Arbeit der Stiftung und über die ernste Bedrohung des afrikanischen Elefanten durch Wilderei, Elfenbeinschmuggel und Verlust von Lebensraum.
Der Clou: Wer durch das Erlebnis hinreichend überzeugt ist, hat die Möglichkeit, Pate eines kleinen Elefanten zu werden und durch die finanziellen Zuwendungen zum Wohl des Patenkindes die Arbeit der Stiftung zu unterstützen.
Neben den alarmierenden Fakten des starken Rückgangs der Elefanten- und Löwenzahlen in Afrika ist noch wenig bekannt, dass auch die Giraffen-Population drastische Verluste erleidet. Einen aufklärenden Einblick erhält man beim Besuch des Giraffe Center, ein non-profit Projekt, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Schülern und Besucher über Lebensweise und die Gefährdung der Giraffen zu informieren.
Wie bei den Elefanten sind die Tiere selbst die besten Botschafter ihrer Sache, denn wer wäre nicht von der Sanftmut und der Schönheit der Tiere berührt. Neben dem örtlichen Info-Zentrum, erlebt man sie hier auf Augenhöhe über eine erhöhte Balustrade. Ich will nicht verhehlen, dass zum Anlocken kleine Snacks in Form von Futterpellets ausgeteilt werden, die man den Tieren mit den langen Hälsen und den langen blauen Zungen reicht. Ist das alles touristisch? Ja, natürlich! Aber es ist trotzdem ein eindrückliches Erlebnis, die faszinierenden Tiere aus nächster Nähe zu erleben.
Für alle Literatur- und Kinofans lockt in nächster Nähe schließlich das von einer idyllischen Gartenanlage umgebene Karen Blixen Museum. In diesem, inzwischen vom kenianischen Staat gekauften Haus, lebte die gleichnamige dänische Schriftstellerin, die durch die Verfilmung ihres Romans „Out of Africa“ weltberühmt wurde. Das Haus fungiert seit 1986 als Museum und ist mit Originalmöbeln ausgestattet, die mir beim Gang durch die Zimmer die elitäre Lebenswelt der Kolonialherren deutlich werden lassen.
Die Schriftstellerin lebte hier in den 1920er Jahren, bevor sie durch den Bankrott ihrer Plantage und den Tod ihres Geliebten Denys Finch Hatton nach Dänemark zurückkehrte. Junge Studenten geleiten die Besucher durch die Räumlichkeiten und erläutern die Lebensumstände der Schriftstellerin im kolonialen Kenia anhand der Ausstellungsstücke im Haus und alter Farmmaschinen. Für mich ein toller Blick durch das Schlüsselloch in eine andere Epoche, der auch ohne romantisierende Brille möglich ist.
All diese Attraktionen liegen dicht beieinander im vornehmen, grünen Stadtteil Karen und lassen sich für einen halben Tag wunderbar unkompliziert miteinander verbinden.
Darüber hinaus lädt das Karen Blixen Coffee Garden Restaurant, ebenfalls in malerischen Gebäuden der Kolonialzeit untergebracht, zu einem schmackhaften Mittagssnack in direkter Umgebung ein.
Die Ausflüge bieten die Gelegenheit, auf Tuchfühlung zu gehen, zum einen mit der kolonialen Geschichte des Landes und zum anderen mit zwei bedrohten Arten afrikanischen Großwildes auf ganz andere Art und Weise als es der Blick aus dem Jeep während der Wildbeobachtungspirschfahrten ermöglicht.
So tragen diese Erlebnisse dazu bei, durch eine fühlbare Begegnung Hintergrundwissen aufzubauen und Engagement für den Naturschutz zu wecken.