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Wenn Stretching plötzlich eine völlig andere Bedeutung annimmt…

Stefanies Erlebnisse auf ihrer ersten Safari-Reise durch Simbabwe

Auge in Auge mit einem "sanften Riesen"

„Okay guys, it’s time to stretch!“ Vor meiner Reise nach Simbabwe, die ich im November 2024 gemeinsam mit meinem Mann unternahm, hatte ich dieses Kommando wohl eher mit Aufwärm- und Dehnübungen vor dem Joggen in Verbindung gebracht. Doch für Mike, unseren Guide im Somalisa Acacia Camp im Hwange Nationalpark, hatte dieses Wort eine völlig andere Bedeutung. Er meinte damit nämlich: „Let’s get out of the car and go for a little walk in the bush.“ (Wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang im Busch?)

Als Mitarbeiterin in unserer Marketingabteilung – seit gut zwei Jahren kümmere ich mich um die Präsentation der Unterkünfte und Reisen auf unserer Webseite – gehört der Begriff „Bush Walk“ zu meinem täglichen Wortschatz. Ich wusste, dass es sich dabei um geführte Wanderungen handelt, bei denen ein erfahrener Guide die Gäste eines Camps durch den Busch führt. Was aber tatsächlich hinter einem solchen Erlebnis steckt, wurde mir erst bei meiner ersten eigenen Buschwanderung klar.

Kaum war ich aus dem Fahrzeug ausgestiegen, schienen sich meine Sinne drastisch zu schärfen. Geräusche, die in einer gewohnten Umgebung kaum auffallen, wurden plötzlich deutlich intensiver: Windböen, die kurzzeitig kräftig auffrischten und rauschend den Staub aufwirbelten, das feine Rascheln dürrer Blätter, die durch die trockenen Ebenen wehten, das Wechselspiel zirpender Grillen, das in der morgendlich ansteigenden Hitze mal mehr mal weniger laut war, das Kreisen der Raubvögel am Himmel. Meine Augen wanderten nicht mehr nur nach vorne, sondern suchten die Umgebung aufmerksam nach links, rechts – und nicht selten nach hinten ab. Das Gefühl, nicht mehr in der Rolle des Zuschauers zu stecken, sondern selbst auf der Bühne zu stehen, ließ mich immer wieder über die Schulter blicken. Jeder Schritt wurde bewusster gesetzt, denn das Knacken eines Astes unter dem eigenen Fuß klingt in dieser Szenerie deutlich lauter und eindringlicher als auf jedem Sonntagsspaziergang im heimischen Wald.

Mit diesen veränderten Sinneswahrnehmungen also folgten wir unserem Guide Mike durch den Busch. So liefen wir die ersten 45 Minuten lautlos oder höchsten mit gedämpften Stimmen sprechend in Reih und Glied durch die ausgetrocknete, staubige Buschlandschaft, bis wir zu den Überresten eines vor längerer Zeit erlegten Tieres kamen. Die verstreuten Knochen, erklärte Mike, gehörten zu einer Giraffe, die dort ihre letzte Ruhestätte fand. Unsere Wanderung führte uns tiefer ins Buschland, wo größere Mopane-Bäume hier und da das immer dichter werdende Gestrüpp durchbrachen.

Plötzlich blieb Mike abrupt stehen und bedeutete uns, ruhig zu bleiben. Er hatte links von uns bereits eine große Büffelherde entdeckt, die wir mit unseren ungeübten Augen wahrscheinlich noch deutlich länger nicht bemerkt hätten. Leise näherten wir uns dieser Herde Stück für Stück, doch plötzlich tauchte in einiger Entfernung vor uns eine Herde Elefantenkühe mit ihren Kleinen auf. Sofort suchten wir Deckung inmitten eines vertrockneten Strauchgewächses. „Bleibt ruhig“, flüsterte Mike. Eine Elefantenmutter, erklärte er später, ist genauso beschützend wie ihr menschliches Pendant – und ihr Nachwuchs wird instinktiv verteidigt, wenn Gefahr droht. Da Elefanten aber generell schlecht sehen, dafür umso besser hören und riechen, waren wir mit dem Wind, der für uns günstig stand, in unserem Versteck sicher. So verharrten wir – reglos mitten im Gebüsch kauernd – bis die Familien an uns vorbeigezogen waren, bevor wir unsere Wanderung fortsetzten.

Die Temperatur – zu Beginn unserer Wanderung mit „nur“ gut 30 Grad einigermaßen erträglich – stieg gefühlt mit jeder Minute deutlich an und so kamen wir immer mehr ins Schwitzen. Während ich mir der Hitze, aber auch der Orientierungslosigkeit - ohne unseren Guide hätte keiner von uns mehr zu unserem Fahrzeug zurückgefunden - bewusst wurde, tauchte vor uns ein einzelner Elefantenbulle auf, der träge auf Suche nach Futter umhertrabte. Mit respektvollem Abstand zogen wir, immer auf den Wind achtend, in großem Bogen um ihn herum. Der Bulle schien tatsächlich völlig ahnungslos und streckte sich nach den über ihm hängenden Ästen. Selbst als wir uns ihm frontal näherten, schien er uns noch immer nicht zu bemerken. Als wir nur noch eine kurze Distanz von ihm entfernt waren, trat Mike mit mir an der Hand aus der Deckung des Gebüsches hervor und machte sich durch ein kurzes Husten bemerkbar. „Musst Du gerade jetzt husten?“, dachte ich mir im Stillen. Aber so hatte er absichtlich die Aufmerksamkeit dieses gut drei Meter hohen grauen Riesen geweckt. Sofort drehte er sich in unsere Richtung, stellte in einer Drohgebärde seine Ohren auf und lief auf uns zu. Okay, was passierte hier? - „Whatever happens, don‘t run!“, schoss mir kurzzeitig die wichtigste Regel, die wir zu Beginn unserer Wanderung erhalten hatten, in den Sinn: Niemals, wirklich niemals, wegzurennen. Gegen diesen Riesen wären wir auch als 100-m-Läufer schnell chancenlos gewesen. Als der Elefant nur noch ca. sechs Meter von uns entfernt war, entsicherte Mike mit einem kurzen Klick sein Gewehr – keinesfalls in der Absicht, diesem tollen Geschöpf zu schaden, sondern eine klare Grenze zwischen ihm und uns zu setzen. Der Bulle stoppte tatsächlich abrupt und so verharrten wir für einige Minuten „Auge-in-Auge“, völlig regungslos - der Elefant, der uns abschätzte und wir, die ihn ehrfürchtig betrachteten. Nachdem klar war, dass jeder den Raum des anderen respektierte, trat der Elefant schließlich den Rückzug an und zog davon. Dieses Erlebnis ließ uns alle sprachlos und mit tränenfeuchten Augen zurück – nicht aus Angst, sondern aus Respekt und Demut vor diesem „gentle giant“. Nun verstand ich, warum man diese tonnenschweren Wildtiere immer wieder als „Sanfte Riesen“ bezeichnet.

Unser Zusammentreffen war so ergreifend, dass ich es nicht durch die Linse meiner Kamera betrachten wollte. Deshalb existieren die Bilder zu diesem "zweiminütigen Standoff", wie Mike diese unvergessliche Begegnung nannte, nur in meinem Kopf. Erst als sich der Bulle zurückzog, drückte ich auf den Auslöseknopf. 

Auf allen Vieren zu Löwen und Wildhunden

Jetzt hatten wir Lust auf mehr bekommen. So sollte dies der Startpunkt für viele weitere spannende Buschwanderungen auf unserer Reise durch die Nationalparks von Simbabwe sein.

Im Mana Pools Nationalpark pirschten wir uns mit Bryan, unserem Junior Guide, der trotz seines jungen Alters bereits über ein immenses Wissen und eine bemerkenswerte Kompetenz verfügt, fast schon wie selbstverständlich an eine Löwin heran, die nach einem misslungenen Versuch, ein Warzenschwein zu erlegen, im Dickicht des Busches ein kleines Zebra gerissen hatte. Obwohl sie augenscheinlich noch von der Beute des Vortages gesättigt war, war ihr Jagdinstinkt dem Zebrajungen zum Verhängnis geworden. Während hinter uns Büffel und Elefanten vorbeizogen, saßen wir völlig ungeschützt im offenen Gelände - inmitten der Hinterlassenschaften einer ganzen Impalaherde - nur etwa 15 Meter von dieser faszinierenden Szenerie entfernt.

Am nächsten Tag sollten wir das große Glück haben, einem Rudel der seltenen Wildhunde, das in unmittelbarer Nähe zu unserem Zambezi Expeditions Camp ihr Lager für den Tag bezogen hatte, zu begegnen. Auch diesem näherten wir uns wieder zu Fuß – und um noch näher an den Ort des Geschehens heranzukommen – auch auf allen Vieren.

Völlig fasziniert von diesen Wildtieren, die mit ihren einzigartigen Fellzeichnungen, großen Ohren und ihrer verspielten Art so gar nicht nach gefährlichem Raubtier aussehen, hätten wir fast den großen Star von Mana Pools, Boswell, verpasst, der hinter uns vorbeizog. Doch den Augen unserer geschulten Guides entging der Riese natürlich nicht und so sollten wir kurz darauf Zeugen werden, wie der Elefant auf seinen Hinterfüßen balancierte, um die Äste eines trockenen Mopanebaums zu erreichen – ein Kunststück, das er sich als erster Elefant des Parks aufgrund der Nahrungsknappheit während der Trockenzeiten über die Jahre hinweg selbst beigebracht hatte. Auch die cleveren Nachahmer Grumpy und Freddy, die ihm als Nachhut folgten, hatten sich diese statisch schwer nachvollziehbare Technik angeeignet. Und wir durften wieder zu Fuß als Zuschauer in allererster Reihe mit dabei sein!

Der Mighty Zambezi und seine Victoria Fälle

Diese Erlebnisse prägten unsere Reise tief, doch sie waren nicht die einzigen unvergesslichen Momente. Jede Station unserer Reise hatte Highlights, die für sich besonders waren:

Der „Mighty Zambezi“ legte dabei die Messlatte schon ziemlich hoch. Auf Bootsfahrten und vom privaten Deck unserer Hippo Creek Villa der Victoria Falls River Lodge durften wir die majestätische, ungebändigte Kraft dieses Flusses oberhalb der Victoria Fälle erleben, die auch am Ende der Trockenzeit noch ein einmaliges Schauspiel liefern.

Tierreichtum im Hwange Nationalpark

Im Hwange Nationalpark hatten wir beeindruckende Tiersichtungen auch aus dem Fahrzeug heraus: ein ganzes Löwenrudel beim abendlichen Trinken am Wasserloch, das stattliche Löwenmännchen, das nach einem nächtlichen Kampf mit einem Rivalen sichtlich angeschlagen und gezeichnet war, Büffelherden, große und kleine Elefanten, an denen wir uns entgegen der Prophezeiung unseres Guides auch nach unserem dreitägigen Aufenthalts noch nicht satt gesehen hatten, Zebras oder verschiedenste Antilopenarten, wie Impalas, Gnus, Kudus, Wasserböcke und Rappen- und Pferdeantilopen.

Faszination Mana Pools

Neben den Tierbegegnungen werden uns vor allem die Landschaften des Mana Pools Nationalpark entlang des unteren Sambesis in Erinnerung bleiben. Auch wenn der Mächtige Sambesi während unseres Aufenthalts im Zambezi Expeditions wegen der vorherrschenden Trockenheit deutlich an Breite eingebüßt hatte und eine Kanufahrt aufgrund der Dichte an Nilpferden und Krokodilen, die sich auf engstem Raum tummelten, nicht möglich war, erwartete uns das UNESCO-Weltnaturerbe mit bezaubernden Ausblicken auf grasbewachsene Uferbänke mit umherziehenden Impalaherden, Warzenschweinfamilien und spielenden Paviangruppen -  als Kulisse dabei diente die majestätische Bergkette auf sambischer Seite, die morgens und abends von der Sonne in unterschiedlichste Pastelltöne getaucht wurde. Auch die offenen Ebenen, die mit einer beeindruckenden Vielfalt an teilweise Jahrhunderte alter Bäumen durchzogen sind, sind wunderschön und eindrucksvoll.

Im Herzen dieses Parks im Kanga Camp erwartete mich eine Begegnung aus allernächster Nähe mit Elefanten direkt am „People and Eli Pool“, wie uns der kleine Pool bei Ankunft bereits vorgestellt wurde. Warum dieser Pool so heißt, sollte ich kurz darauf selbst erfahren, als ich auf der Poolliege sitzend Besuch von mehreren Elefanten bekam, die sich nacheinander am frischen Wasser aus dem Pool labten. Ein Schritt näher und ich hätte die Tiere berühren können – was ich natürlich schon aus Respekt gegenüber diesen Wildtieren niemals getan hätte. Mir waren das freudige Spiel mit dem Rüssel im kühlen Nass und die gluckernden Geräusche, die zu hören waren, als mit jeder Rüsselladung bis zu 10 Liter Wasser in den offenen Schlund wanderten, Nähe und Freude genug.

Beginnende Regenzeit am Lake Kariba

Als letzte Station auf unserer Reise sollte uns der Lake Kariba und die schöne, auf einem Hügel darüber thronende Unterkunft Bumi Hills Safari Lodge verzaubern. Auch wenn mit Beginn der Regenzeit die Sonnenuntergänge am Horizont nicht mehr ganz so glühend waren, war jede Boots- und Angeltour dennoch ein Erlebnis für sich. Die dunklen Wolken, die sich teils am Horizont aufzubäumen begannen, nahmen wir gerne hin, kündigten sie doch die lang ersehnten Regenfälle an, auf die alle so sehnsüchtig warteten - auch die Menschen im Dorf Mola, deren Schule wir besuchen durften.

Begegnungen mit wunderbaren Menschen

Diese Tier- und Naturerlebnisse waren für meinen Mann und mich tief beeindruckend, wären aber nicht möglich gewesen ohne die wunderbaren Menschen, denen wir auf dieser Reise nicht nur vor sondern auch hinter den Kulissen begegnen durften. David, Emmanuel, Brenda, Max, Sebasten, Mazvie, Chindega, Simeon und viele mehr haben einen großen Teil dazu beigetragen, dass wir uns so wohl gefühlt haben. Deren Herzlichkeit und Bereitschaft, uns mit offenen Armen willkommen zu heißen, hat uns schwer beeindruckt. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie uns an ihren Lebensgeschichten und ihrem reichhaltigen Wissen teilhaben ließen und die Lebensfreude, die sie jeden Tag aufs Neue ausstrahlten, haben uns tief bewegt. Das Gefühl, als Fremde zu kommen und als Freunde zu gehen, ist selten – in diesem Land scheint es eine Selbstverständlichkeit zu sein.

See you again...

Deshalb steht am Ende unserer Reise vor allem tiefe Dankbarkeit – und der Wunsch irgendwann zurückzukehren. Kein „Bye-bye“, sondern ein „See you again“... und irgendwann wird es für uns wieder heißen: „Okay, guys, it’s time to stretch!“

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